Als Steigerung der bisher erlernten Fähigkeiten gibt es eine weitere Einsatzmöglichkeit des Hundes in der tiergestützten Therapie: das Parcours- oder „Agility“-Training. Die Grundvoraussetzung dafür ist eine bereits bestehende vertraute Basis zwischen Klient und Hund.
Agility ist eine Sportart, bei der der Hund, durch Stimme und Handzeichen vom Hundeführer dirigiert, verschiedene Hindernisse (Reifen, Tunnel, Hürden, Laufsteg, Wand etc.) in vorgegebener Reihenfolge und auf Zeit überwindet.
Der Hundeführer darf weder den Hund noch die Hindernisse berühren.
Je nach Alter und Befähigung des Klienten können einzelne oder mehrere Hindernisse aufgebaut werden, bis hin zum umfassenden Parcours. Das Aufbauen der Hindernisse erfordert neben der Fähigkeit, eine Handlung zu planen, Figur-Grund-Wahrnehmung, seriale Leistung und räumliches Lage- und Beziehungsvermögen.
Zum Führen des Hundes benötigt man Aufmerksamkeit, Konzentration, sowie Geduld und Einfühlungsvermögen. Weitere Erfordernisse sind schnelles Zurufen der passenden Befehle – z. B. „Tunnel durch“, zeigen mit der, dem Hund nahen Hand, räumliche Einordnung – Wie stehe ich zum Hund? Zum Hindernis? Wie bewege ich mich richtig, um dem Hund die Richtung passend zu weisen? Für Klienten, die räumliche, strukturelle und/oder seriale Probleme haben, ist dies eine sehr hohe Anforderung.
Alle Klienten gehen mit gestärktem Selbstwert und dem Gefühl von Befähigung aus solchen Stunden. Für solche Klienten bedeutet die Bewältigung dieser komplexen Anforderung ein hohes Maß an Kompetenzerfahrung.
Ein Beispiel hierfür ist eine 12-jährige Klientin, die im Praxisgeschehen, sowie allgemein im „Außen“ in keiner Weise auffällt. Im schulischen Bereich konnte sie im Laufe der Therapie ihre, aufgrund von Muskelsinn-Wahrnehmungsschwächen entstandenen Raumsinn- und Zahlenraumschwierigkeiten größtenteils ausgleichen. Zu Hause fielen wiederholt Struktur- und Konzentrationsprobleme auf und daraus begründet eine mangelnde Selbstordnung, Unausgeglichenheit, bzw. ihre Selbstwertkompensationen über „Geschichten erzählen“, d.h. verfälschtes Umdeuten von Situationen. Das Mädchen und Kea hatten von Anfang an einen sehr starken Bezug zueinander. Kea lernte mit Hilfe des Mädchens und mir, beängstigende Hindernisse wie eine große Brettschaukel zu meistern.
Über die Motivation „Hund“ gelang es der 12-jährigen wesentlich besser, sich zu konzentrieren und strukturiert zu arbeiten. Die Anforderungen an das Mädchen wurden dabei langsam gesteigert, angefangen vom gemeinsamen Erarbeiten einzelner Hindernisse über einige Kombinationen bis zum selbständigen Aufbau eines ganzen Parcours. Hierbei wurden die räumlich-konstruktiven Schwierigkeiten des Mädchens wieder deutlich, aber mit Hilfe zur Selbsthilfe von therapeutischer Seite wurden sie gemeistert. Für dieses Mädchen wurde die hohe Kompetenzerfahrung über das Training mit dem Hund das Mittel der Wahl zum Ausgleich ihrer Schwäche.
Zuletzt möchte ich betonen, dass sich günstige Aspekte für die Therapie mit dem Hund nur bei den Menschen, bei denen eine positive Beziehung zwischen Mensch und Tier besteht bzw. gewünscht werden (bei Hundeangst), ergeben. Für Klienten, die sich z.B. durch ihre Angst vor Hunden im Straßenverkehr gefährden ist die tiergestützte Therapie mit dem Hund weniger auf eine positive, denn auf eine neutrale Beziehung und die Fähigkeit den Hund einschätzen zu lernen, ausgerichtet. Der Hund wird in der Therapie nicht nur gezielt zum Einsatz gebracht, sondern lebt als eine Selbstverständlichkeit mit. Daraus ergeben sich dann je nach Bedürfnis der Klienten oder des Hundes gemeinsame Interaktionen oder auch nicht.
So kommt der Therapiebegleithund sicher nicht bei jedem Klient zum Einsatz, was auch dem Ruhe- und Schlafbedürfnis des Hundes zuwiderlaufen würde (ein Hund braucht 18 Stunden Schlaf pro Tag in unterschiedlichen Intervallen).
Viele Menschen lockert und heitert die einfache Anwesenheit des Hundes auf, er schafft dadurch eine Atmosphäre häuslicher Wohnlichkeit und Vertrautheit. Eine solche Atmosphäre beeinflusst nicht nur die Therapie allgemein, sondern wirkt auf alle, auf Therapeuten und Angehörige der Klienten angenehm, lockernd und positiv.
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